Rundfunkgeschichte vom 29. April

Ein Weihnachtslied kann auch ein geheimes Zeichen sein – jedenfalls, wenn es Ende April ausgestrahlt wird. Mag sein, dass es am Nordpol noch passt, aber nicht im tropischen Südostasien. Aber der US-Militärradiosender in Saigon spielt den Song am Morgen des 29. April 1975. Die in der Stadt verbliebenen US-Bürger und andere westliche Ausländer wissen, was das Signal zu bedeuten hat: Die heiße Phase der Evakuierung ist gekommen, der Vietcong steht kurz vor der Stadt und damit vor dem Sieg im Vietnamkrieg.

Schon Ende März beginnt die US-Botschaft in Saigon damit, das eigene Personal, die familien und andere Ausländer auszufliegen. Doch am 4. April kommt es dabei zu einer Katastrophe: Ein Transportflugzeug vom Typ C-5 Galaxy muss notlanden, 130 Menschen sterben. Zurückgegriffen wird daher auf kleinere Maschinen, in denen aber weniger Menschen Platz finden. Auf dem Flughafen von Saigon spielen sich dramatische Szenen ab. Nach einem Raketenangriff sind auch die Startbahnen zerstört, nun geht die Evakuierung nur noch per Hubschrauber. Diese fliegen aufs Meer und zu den dort wartenden Flugzeug- und Hubschrauberträgern. Es ist die Operation „Frequent Wind“ - eingeleitet vom Song „White Christmas“.


Rundfunkgeschichte vom 27. April

Hören Außerirdische auch gerne Radio? Diese Frage kann man noch nicht beantworten. Aber fest steht, dass es Radiosignale im Weltall gibt! Der Ingenieur Karl Guthe Jansky berichtete 1933, dass er solche Signale empfangen habe, mit einer großen Richtantenne. Er sollte nämlich im Auftrag der Telefongesellschaft Bell Phone Störsignale im Kurzwellenband erforschen. 1932 entdeckte er Rauschsignale, die einmal am Tag ein Maximum erreichten und dieser Zeitpunkt verschob sich jeden Tag um vier Minuten. Das führte ihn zu der Erkenntnis, dass die kosmische Quelle des Radiosignals außerhalb des Sonnensystems liegen musste. Seine Geräte zeigten an, dass die Radiosignale aus dem Sternbild Schütze kamen. Heute weiß man, dass dort das Zentrum unserer Milchstraße liegt.


Rundfunkgeschichte vom 26. April

Den ersten Wetterbericht im Radio sendet die Radiostation WEW in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri am 26. April 1921. Der Sender wird von der Universität St. Louis betrieben.

Schon 1912 hat die Uni begonnen, Wetterinformationen per Funk über die experimentelle Sendeanlage 9YK auszustrahlen. Diese Station ist während des Ersten Weltkriegs abgeschaltet worden, die Uni dient als Ausbildungsstätte für die Funker des Militärs. In der Nachkriegszeit wird auch Sprache und Ton übertragen, noch bevor der Sender offiziell eine Lizenz erhält.

In Großbritannien sind schon 1911 maritime Wetterinformationen über Funk abgesetzt worden, sie richten sich aber nur an Schiffe, nicht an das allgemeine Publikum.


Rundfunkgeschichte vom 25. April

Der italienische Radiopionier Guglielmo Marconi wird am 25. April 1874 geboren. Sein Vater ist ein Landadeliger, seine Mutter entstammt der irischen Familie, die mit dem Jameson-Whiskey reich geworden ist.

Schon mit 20 beschäftigt er sich zunächst mit den theoretischen Arbeiten von Heinrich Hertz zu elektromagnetischen Wellen. Er macht viele Experimente, um mit einem Knallfunkensender größere Distanzen zu überbrücken. In England unternimmt er erste Sendeversuche, die in Fachkreisen viel beachtet werden. Genannt wird die Technik „spark telegraphy“, also Funkentelegrafie, später kurz Funkübertragung. Er gründet die „Wireless Telegraph and Signal Company“ in London. Fun fact: Sieben der ersten acht Teilhaber an der Firma stammen aus der Whiskeybranche! Warum das? Nun, Marconis Mutter hatte da wohl die Finger im Spiel.

1899 gelingt Guglielmo Marconi die erste internationale Radioübertragung zwischen England und Frankreich. Er sendet über den Ärmelkanal vom Leuchtturm von South Foreland bei Dover nach Wimereux. Die erste öffentliche transatlantische Kommunikation klappt vier Jahre später über eine Distanz von 3840 Kilometer. Die Resonanz in der Öffentlichkeit ist riesig! Er schafft es beinahe, ein weltweites Monopol für die Fernübertragung von Nachrichten zu errichten. Später beschäftigt Marconi sich auch mit Kurz- und Mikrowellen. 1909 bekommt er zusammen mit Ferdinand Braun den Nobelpreis für Physik, beide gelten als die wichtigsten Erfinder des Rundfunk-Zeitalters.

Großes Glück hat der Wissenschaftler mehrmals: Marconi wird als Gratifikation eine kostenlose Reise auf der Jungfernfahrt der „Titanic“ angeboten. Doch er nimmt drei Tage früher die „Lusitania“, da es an Bord dieses Schiffs eine Stenografin gibt und er Schriftverkehr erledigen will. Im April 1915 ist Marconi bei der letzten abgeschlossenen Ozeanüberquerung der „Lusitania“ an Bord – bei der Rückfahrt wird der Ozeanriese von einem deutschen U-Boot versenkt.

1937 stirbt Marconi an einem Schlaganfall. Zu seinem Gedenken wird der gesamte Funkverkehr weltweit für zwei Minuten ausgesetzt.


Rundfunkgeschichte vom 24. April

Eine Ära geht am 24. April 1959 zuende: Die Samstagabend-Show „Your Hit Parade“ wird zum letzten Mal ausgestrahlt, nach 24 Jahren im Radio und neun Jahren im NBC-Fernsehen. Gesponsert übrigens von den Lucky Strike-Zigaretten von American Tobacco – heute irgendwie unvorstellbar.

Jede Woche stellt die Show die populärsten und meistverkauften Songs der Woche vor. Ein Format, das es seitdem in vielen Formen und Farben gibt.

Die finale Hitparade 1959: Elvis Presley, „I Need Your Love Tonight“ (Platz 5), Brook Benton, „It's Just A Matter Of Time“ (Platz 4), Ricky Nelson, „Never Be Anyone Else But You“ (Platz 3), Dodie Stevens, „Pink Shoe Laces“ (Platz 2) und auf Platz 1 die Fleetwoods mit „Come Softly To Me.“


Rundfunkgeschichte vom 23. April

Es hat die Musikindustrie komplett umgekrempelt: das Streaming. Musste man früher Platten, CDs oder wenigstens noch Dateien kaufen, kann man heutzutage Musik überall hören, wo man Internet hat. Der erfolgreichste Musikdienst ist Spotify, gegründet im April 2006 in Stockholm. 50 Millionen Songs und 500000 Podcast-Episoden sind auf dem Dienst abrufbar, man kann Listen mit den Favoriten anlegen und so sogar eine Art eigenen Radiosender basteln.

Alle angebotenen Musikstücke werden von Musiklabels zur Verfügung gestellt und von diesen lizenziert. Die Lizenzgebühren werden auf zwei Arten finanziert: Entweder bezahlen Kunden ihr Konto mit einem Abonnement, oder sie müssen Werbeeinblendungen akzeptieren. Ihren Service gestartet hat die Firma 2008, in Deutschland 2012, mittlerweile hat er weltweit nach eigenen Angaben 271 Millionen Nutzer.

Gewinn allerdings hat Spotify noch nicht gemacht, sondern nur Milliardenverluste. Firmengründer Daniel Ek setzt darauf, diejenigen Nutzer für ein Premium-Modell zu gewinnen, die bisher das kostenlose Free-Modell nutzen. Und er hofft, dass die Anleger die Geduld behalten und lieber auf das starke Wachstum und die Dominanz der Firma im Streamingmarkt schauen als auf die Gewinn- und Verlustrechnung.


Rundfunkgeschichte vom 21. April

Was war nochmal der Payola-Skandal? Es hat etwas mit dem Zuhören zu tun, mit dem Radio und dem Boom neuer Musik in den 1950er Jahren. Die Bezeichnung Payola setzt sich aus den Worten pay (bezahlen) und Victrola (Plattenspielersystem) zusammen und steht für den Vorgang des „pay for play“ (engl.: „bezahlen für das Abspielen“). Es geht darum, dass eine Plattenfirma die DJs und Redakteure von Radio- und Fernsehsendern schmiert, damit diese ein bestimmtes Lied häufiger spielen. Das steigert die Popularität eines Songs und damit die Plattenverkäufe.

Viele DJs sind sich ihres Status bewusst und schließen Pauschalverträge mit Plattenfirmen und -vertrieben ab. Ein halbwegs bekannter DJ konnte 50 Dollar pro Woche und Platte einstreichen, die einflussreicheren DJs bekamen Anteile an den Einnahmen lokaler Konzerte, aufwendige Reisen, kistenweise kostenlose Platten. Einige eröffneten sogar ihre eigenen Plattenläden! Joe Finan, DJ aus Cleveland, beschrieb das Jahrzehnt später so: „Es war eine Mischung aus Alkohol, Weibern und Bestechungsgeldern.“

Am 21. April 1960 sagt Dick Clark vor einem Ausschuss des US-Kongresses aus. Er ist als Moderator der Fernsehshow „American Bandstand“ bekannt und eine einflussreiche Person in der Rock-’n’-Roll-Szene. Er spricht über einen Zeitraum von gut zwei Jahren und gibt zu, dass er ein finanzielles Interesse an 27 Prozent der Platten hatte, die er in „American Bandstand“ spielte – er war immerhin Teilhaber an sieben Indie-Labels, sechs Verlagen, drei Plattenvertrieben und zwei Talentagenturen. Clark gibt sich reumütig, verkauft seine Geschäftsanteile, sein Name wird reingewaschen. Er moderiert viele Jahre das traditionell Silvesterprogramms vom New Yorker Times Square. Wegen seines vergleichsweise jungen Aussehens hat er den Spitznamen „America's Oldest Teenager“. 2012 stirbt er mit 82 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts.

Sein Kollege Alan Freed dagegen weigert sich, zuzugeben, dass Payola eine illegale oder unmoralische Praxis ist. Freed kommt zwar mit einer Geldstrafe und einer Gefängnisstrafe auf Bewährung davon, aber er ist erledigt. Fünf Jahre später stirbt er, pleite und praktisch vergessen.


Rundfunkgeschichte vom 18. April

Mit Propaganda nimmt man Einfluss darauf, wie Menschen sich verhalten – und das wissen im Zweiten Weltkrieg alle Seiten. Es gibt etliche Sender, die mit Tricks und Täuschungen arbeiten: Einer der Sender ist der Nachtsender 1212, ein bei den deutschen Truppen beliebtes Programm. Er ist nachts zwischen zwei und sechs Uhr auf den Langwellenfrequenzen von Radio Luxemburg zu empfangen. Es ist ein Tarnsender der US-amerikanischen Armee, der sich als deutscher Sender ausgibt.

Am 18. April 1945 stellt er den Sendebetrieb ein, doch es übernimmt eine "Widerstandsgruppe Neues Deutschland". Es wird so getan, als ob Deutsche innerhalb Deutschlands eine Widerstandsgruppe gegründet haben, um den Krieg zu beenden. Eine fiktive Geschichte dreht sich um eine deutsche Stadt, die sich gegen das Naziregime auflehnt. Botschaften des Bürgermeisters werden verlesen. Unter dem Stichwort „Frieden jetzt!“ wird zu Widerstand und Sabotage gegen das Nazi-Regime aufgerufen.

Der Sender arbeitet ähnlich wie der von den Briten betriebene Soldatensender Calais, der mit Unterhaltung wirbt, aber versucht, die deutsche Militärmoral zu untergraben und Fehlinformationen zu verbreiten.

Aber auch diese Tarngeschichte innerhalb der Tarngeschichte endet abrupt, eine Woche später, am 25. April 1945: Urplötzlich wird das Programm unterbrochen, Stimmengewirr ist zu hören, Türenschlagen, schwere Schritte. Authentisch wirkt das auf jeden Fall. Wieviel Sender 1212 bewirkt hat, das ist umstritten.


Rundfunkgeschichte vom 16. April

Vorgestellt wurde es in der Zeitschrift „Popular Electronics“ - das erste solarbetriebene Radio. General Electric brachte es im April 1956 heraus. Für die breite Masse war es nicht gedacht, ein Kaufpreis ist auch leider nicht überliefert. Aber die nackten Zahlen sprechen für sich: Eingebaut in das Radio waren sieben Solarzellen, es sollte 500 Stunden laufen ohne erneute Aufladung.


Rundfunkgeschichte vom 15. April

Ein 14-jähriger Funker-Azubi ist der erste, der erfährt, dass etwas mit der „Titanic“ nicht stimmt, in der Nacht auf den 15. April 1912. Dieses Detail der Tragödie ist erst nach Jahrzehnten ans Licht gekommen.

Jimmy Myrick sitzt vor dem Empfangsgerät in der Telegrafenstation von Cape Race an der Küste Neufundlands und sortiert Meldungen, es sind vor allem Reisegrüße von Schiffspassagieren nach Hause. Doch um 22.25 Uhr wird die Ruhe unterbrochen. Kimmy hört einen besonderen Morse-Code: CQD - CQD - CQD. Es ist das maritime Notrufsignal. Jimmy rennt los, seinen Chef zu alarmieren.

Ungefähr 600 Kilometer entfernt, im Nordatlantik, ist auf dem Luxusliner „Titanic“ die Hölle los. Der Funker Jack Phillips sendet verzweifelte Hilferufe nach draußen. Auch nach Cape Race, denn die Marconi-Station ist ein strategisch wichtiger Ort, eine Relaisstation am Ende der Welt, am östlichsten Rande des Kontinents.. Hier gehen die drahtlosen Nachrichten aus Europa und von Schiffen ein, von hier werden sie weitergegeben nach New York oder in andere Städte in den USA.

Der 14-Jährige Nachwuchs-Funker erreicht seine Vorgesetzten, die reagieren sofort und schicken die Meldung von der „Titanic“-Tragödie weiter. Drei Stunden später versinkt der riesige Luxusliner in den eisigen Fluten, 1517 Menschen sterben, nur 711 überleben.

titanic sinking

Die Katastrophe wäre vielleicht zu verhindern gewesen, wenn die Verantwortlichen auf dem Schiff die Warnung vor Eisbergen ernster genommen hätten. Denn dass Eisberge im Nordatlantik schwammen, war bekannt. Eine ganz konkrete Warnung allerdings könnte die Schiffscrew auch nicht erreicht haben, weil Schiffsfunker Phillips so sehr damit beschäftigt waren, Urlaubsgrüße weiterzugeben. Genervt soll er in der fraglichen Nacht auf die Eiswarnungen seiner Kollegen reagiert haben.

Erst kurz vor seinem Tod im Jahr 1990 erzählt Jimmy Myrick seiner Familie, dass er der erste war, der das Notsignal der „Titanic“ hörte. Seine Vorgesetzten hatten ihn zum Schweigen verdonnert, weil nicht herauskommen sollte, dass sie den 14-Jährigen alleine in der Station vor dem Funkgerät gelassen hatten. Die Funkstation auf Cape Race brennt kurz nach dem Titanic-Unglück nieder, wird später originalgetreu wieder aufgebaut. Das rote Holzgebäude ist heute ein kleines Museum und eine Funkstation für Amateure.